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Der Kreis Steinburg in der NS-Zeit

Der Nationalsozialismus brach nicht erst mit der sogenannten Machtübernahme Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 über Deutschland herein. Verschiedentliche Krisen in der Endphase der Weimarer Republik legten den Grundstein für den ste­ten Aufstieg der Nationalsozialisten in Schleswig-Holstein und im Kreis Steinburg.

Mit den Reichstagswahlen im März 1933, deren Wahlkampf bereits von Übergriffen durch Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) auf politische Gegner geprägt war, gelang es der Partei mit 53,3% der Stimmen zu der mit Abstand stärksten Kraft in Schleswig-Holstein gewählt zu werden. Die Nationalsozialisten bemühten sich nun so schnell wie möglich, die parlamentarischen Institutionen auf Provinz-, Kreis- und Kommunalebene ihrem Einfluss zu unterwerfen. In allen Gremien galt fortan das Führerprinzip, das dem jeweiligen Bürgermeister das Recht zusicherte, alle Entscheidungen über die Belange der Kommune eigenverantwortlich zu treffen. In Itzehoe stellte man durch die Festnahme des amtierenden nationalliberalen Bürgermeisters Adolf Rohde und seiner zwangsweisen Versetzung in den Ruhestand sicher, dass das Bürgermeisteramt von NS-treuen Politikern besetzt wurde. Rohdes Nachfolger wurde zunächst Hermann Nappe (1933 bis 1934), dann Dr. Herbert Heitmann (1934 bis 1940) und schließlich Kurt Petersen (1940 bis 1945). In den Landgemeinden bemühte man sich hingegen häufig um Kompromisse zwischen den neuen Machthabern sowie den einflussreichen lokalen Vertretern der Gemeinde und beließ diese im Amt, solange sie bereit waren, Zugeständnisse an das neue Regime zu machen. Hierzu konnte bspw. ein Eintritt in die Partei zählen.

Verbände der gewerblichen Wirtschaft, des Handwerks und des Handels wurden im Zuge der Gleichschaltung beseitigt und die Selbstverwaltung der Wirtschaft damit abgeschafft. Die bestehenden Handwerksorganisationen richteten sich im nationalsozialistischen Sinne einheitlich aus, was bedeutete, dass alte Vorstände sich selbst auflösten oder aufgelöst wurden und deren Posten mit loyalen Unterstützern des NS-Regimes besetzt wurden. So kontrollierten die Nationalsozialisten bis zum Sommer 1934 bspw. sämtliche Itzehoer Verbände und Vereine: vom Schützenverein über den Handwerkerbund bis zum Gartenbauverein. Die erzwungene und freiwillige Anpassung ermöglichte der Partei auch im Kreis Steinburg eine nahezu vollständige Kontrolle aller gesellschaftlichen Bereiche.

Darüber hinaus versuchte das Regime das Alltagsleben der Menschen komplett zu durchdringen. Besonders Feste und Feiern wurden dazu genutzt, die Volksgemeinschaft zu beschwören und zu stärken. Im gesamten Reichsgebiet wurden z.B. der 30. Januar als Tag der Machtergreifung oder der 1. Mai als „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“ ins Leben gerufen und mit Gedenkstunden und Veranstaltungen der Partei gefeiert. In der Gemeinde Brokstedt wurde bspw. zum 1. Mai die gesamte Gemeinde zusammengetrommelt, um gemeinsam der Rundfunkübertragung der zentralen Kundgebungen aus Berlin beizuwohnen. Ein symbolischer Fackelzug in den Abendstunden beschloss die Feierlichkeiten. Doch auch lokale Festlichkeiten wurden nicht mehr ohne eine Beteiligung der NSDAP ausgerichtet. So stellte man das 700-jährige Stadtjubiläum Itzehoes 1938 ganz in den Dienst des NS-Regimes und seiner Ideologie. Höhepunkte der Festwoche, die vom 20. bis zum 28. August 1938 andauerte, stellten die Einweihung des Fehrssteins – in Erinnerung an den Steinburger Erzähler und Dichter Johann Hinrich Fehrs – durch den Gauleiter Schleswig-Holsteins und Oberpräsidenten Hinrich Lohse, die Eröffnung des sog. „Germanengrabs” sowie der opulente Festumzug durch die Stadt dar, an dem sich neben Freizeit- und Sportvereinen auch Abordnungen der Wehrmacht sowie diverser NS-Gliederungen beteiligten.

Mit dem von Adolf Hitler befohlenen Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Kampfhandlungen zu Lande, auf See und im Luftkrieg forderten mehr als 60 Millionen Menschenleben. Auch im Steinburger Kreisgebiet gab es kaum eine Gemeinde, die keine Kriegsopfer zu beklagen hatte.

Gleichzeitig war der Kreis Steinburg von 1933 bis 1945 aber auch Schauplatz für die Ausgrenzung und Vertreibung zahlreicher Menschen, die vom NS-Regime entweder als „jüdisch“ oder politisch missliebig verfolgt oder aus anderen Gründen aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen wurden. Viele der als Juden verfolgten Schleswig-Holsteiner*innen wurden zum Opfer des Holocaust, so auch die Familie Rieder, die in Itzehoe seit 1923 am Sandberg 11 ein Schuhgeschäft betrieben hatten. 1936 verließen sie Itzehoe in Richtung der damaligen Tschechoslowakei, kamen 1944 in das Ghetto Uzhgorod (Ukraine) und wurden anschließend nach Auschwitz deportiert. 1945 erklärte man sie schließlich für tot.

Text: K.B.

Umkreis

Verwendete Literatur:

Steinburger Jahrbuch 40 (1995).

Steinburger Jahrbuch 44 (2002).

Ute Engel Baseler, Itzehoe zur Zeit des Nationalsozialismus, in: Itzehoe. Geschichte einer Stadt in Schleswig-Holstein, 2, hg. von der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1991, S. 301–326.