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Opfer des Nationalsozialismus: Elise Augustat

Elise Augustat wurde am 29. Juli 1889 als Elise Queck in Waldkeim, einem Dorf im Bezirk Preußisch Eylau nahe Königsberg, geboren. Ihre Eltern Auguste und Karl Queck verließen Ostpreußen wenig später und siedelten nach Lägerdorf über. Elise war nach ihrem Schulabschluss 1904 zunächst als Dienstmädchen in der Landwirtschaft und in verschiedenen Haushalten tätig. Bei ihrer Heirat mit Friedrich Buchholz 1909 brachte sie ein uneheliches Kind, Tochter Gertrud, mit in die Ehe, aus der noch eine zweite Tochter, Elfriede, hervorgehen sollte. Die Verbindung hielt allerdings nicht lange und wurde geschieden. Während des Ersten Weltkriegs musste Elise als alleinerziehende Mutter zurechtkommen. Zu den allgemein schwierigen Umständen kamen die Stigmata des unehelichen Kindes und der Scheidung hinzu.

Im Lägerdorf der Zwischenkriegszeit waren kommunistische und sozialdemokratische Positionen in der Arbeiterschaft der Alsen Zementwerke stark vertreten. 1919 schloss sich Elise der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), einer Abspaltung der SPD, an, die 1921 mit der KPD fusionierte. In dieser Zeit lernte sie ihren zweiten Ehemann Wilhelm Augustat (*1895) kennen, der ebenfalls in der KPD aktiv war. Elise Augustat stieg in der Parteihierarchie bis ins örtliche Führungsgremium auf.

Am 23.Oktober 1923 organisierte die Partei in Lägerdorf eine Demonstration, bei der es um Verhandlungen mit der Gemeindeverwaltung bezüglich der Sozialleistungen für Arbeitslose ging. 200 Teilnehmer zogen mit den Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, zu denen auch Elise Augustat gehörte, zum KPD-Parteilokal in der Rosenstraße, um dort über die Höhe der Arbeitslosenunterstützung zu verhandeln.

Währenddessen hatte sich die Polizei vor der Gastwirtschaft eingefunden. Während die Ordnungskräfte versuchten, die Demonstration aufzulösen, gab ein Unbekannter aus dem Kellerfenster Schüsse auf die Polizisten ab. Es kam zu einer Schießerei, bei der zwei Menschen durch Querschläger ums Leben kamen, ein Polizist einen Bauchschuss erlitt und an den Folgen starb. Das auf die Ereignisse folgende Strafverfahren endete für Elise Augustat mit einem Freispruch.

Im Mai 1924 wurde Elise Augustat in die Lägerdorfer Gemeindevertretung gewählt. Sie gründete eine Ortsgruppe der „Roten Hilfe“, die Rechtshilfe für politisch Inhaftierte anbot. Zudem war sie im „Roten Frauen- und Mädchenbund“, dem weiblichen Ableger des militärisch organisierten „Roten Frontkämpferbunds“ aktiv.

Ab 1929 gehörte sie der Bezirksleitung „Wasserkante“ an und leitete die Frauenabteilung. Sie setzte für gleiche Löhne für Arbeiterinnen und gegen den „Abtreibungs-Paragraphen“ 218 ein.

1929 gewann sie einen Sitz im Steinburger Kreistag, den sie im September 1930 zugunsten eines Reichstagsmandats verließ. Elise Augustat zog nach Hamburg und vertrat dort von Juli 1932 bis März 1933 einen eigenen Wahlkreis. 1931/32 reiste sie zu „politischen Schulungen“ in die Sowjetunion, kehrte allerdings angesichts der Lebensumstände in diesem Land desillusioniert zurück.

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 nahmen die Repressionen gegen KPD- und SPD-Angehörige stetig zu. Elise Augustat zog wieder nach Lägerdorf und lebte in der Osterstraße 4. Sie wurde denunziert, am 26. Mai 1933 in „Schutzhaft“ genommen und nach kurzer Zeit wieder entlassen. Sie sollte nicht lange auf freiem Fuß bleiben: Ihre zweite Verhaftung wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ erfolgte am 7. September. Die Untersuchungshaft endete am 18. Januar 1934, das Verfahren lief auf einen Freispruch hinaus. Die gesundheitlich angeschlagene Elise Augustat lebte danach in der Rosenstraße 5 in Lägerdorf. Der Lägerdorfer NSDAP-Ortsgruppenleiter, Lehrer Robert Struck, hatte sich eine „Umerziehung“ zum Ziel gesetzt. Elise wurde gezwungen, an NSDAP-Propagandaveranstaltungen teilzunehmen, das Horst-Wessel-Lied mitzusingen, den Hitlergruß zu zeigen und Hitler mit „Heil“-Rufen die Ehre zu erweisen.

Ihr Mann Wilhelm war zu dieser Zeit arbeitslos und wurde 1939 zu Arbeiten am Westwall in der Eifel herangezogen. Elise besuchte ihn dort im Sommer 1939. Kurz nach dem vierwöchigen Urlaub, am 1. September 1939, begann der Zweite Weltkrieg. Elise Augustat wurde am 23. September erneut verhaftet und ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg gebracht. Hier waren weibliche politische Gefangene, aus Österreich deportierte Sinti und Roma sowie ab Kriegsbeginn Frauen aus Polen und anderen besetzten Gebieten inhaftiert. Die Insassinnen leisteten Zwangsarbeit beim Ausbau des Lagerkomplexes, in einer Schneiderei und ab 1940 in der lagereigenen Lederfabrik. Die Arbeitszeit betrug zwölf Stunden am Tag, die Produktionsziele waren unrealistisch hoch. Erreichten die Zwangsarbeiterinnen das Soll nicht, mussten sie mit Prügelstrafen rechnen. Die Inhaftierten waren der Willkür der Aufseher und Aufseherinnen schutzlos ausgeliefert: Auch „Vergehen“ wie schmutzige Schuhe wurden mit stundenlangem Stehen, Prügel, Dunkelhaft und Kürzung der ohnehin unzureichenden Essensrationen bestraft.

Zu Weihnachten 1939 kam Elise Augustat „probeweise beurlaubt“ aus dem KZ zurück. Sie war schwer krank, unterernährt und traumatisiert und kündigte an, Selbstmord zu begehen, sollte sie wieder nach Ravensbrück zurückmüssen. Dazu kam es nicht mehr: Am 13. März 1940 starb sie an den Folgen ihrer KZ-Haft.

Text: V.V.

verwendete Literatur

Wolfgang Reschke/Reimer Möller, Elise Augustat - kommunistische Reichstagsabgeordnete aus Lägerdorf. Eine Spurensuche, in: Steinburger Jahrbuch 2000, Itzehoe 1999, S. 271-279.

Hermann Weber/Andreas Herbst, "Augustat, Elise (*1889 - +1940)", in: dies. (Hg.), Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2004, S. 66 f.