Regionale "Machtergreifung"
Die Absetzung des Itzehoer Bürgermeisters Adolf Rohde
Adolf Rohde, geboren am 2. August 1880, stammte aus Ildehausen, einem Dorf in der Nähe von Goslar im Harz, das heute Teil der Stadt Seesen ist. Er war Tiefbau-Ingenieur und als Regierungsbaumeister zuständig für die Planung und Ausführung von Bauvorhaben. Als Mitglied der nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) engagierte sich Adolf Rohde schon in relativ jungen Jahren in der Kommunalpolitik. 1914, gerade 34 Jahre alt, wurde er zum Seesener Bürgermeister gewählt, 1917 erfolgte die Ernennung zum Bürgermeister auf Lebenszeit. 1919 bewarb er sich erfolgreich als zweiter Bürgermeister in Itzehoe, im Mai 1920 trat er nach einer einstimmigen Entscheidung die Nachfolge des ersten Bürgermeisters Bruno Salomon (reg. 1912-1919) an. Bei der Bürgermeisterwahl 1932 wurde er auf zwölf Jahre im Amt bestätigt. Seine ambitionierten Bauprojekte waren wegen der Kosten von rund 6 Millionen Reichsmark im Stadtrat umstritten, letztlich sollte die Stadt jedoch profitieren: Die Verlegung einer Bahntrasse, durch die Verkehrshindernisse abgebaut und neue Bahnanschlüsse für die Industrie geschaffen wurden, geht auf Rohdes Initiative zurück. Zudem war er verantwortlich für Modernisierungen, Straßen- und Wohnungsbau im nördlichen und südlichen Teil Itzehoes (Dithmarscher Platz mit Sparkassengebäude, Lornsenplatz, Dichterviertel, Wellenkamp), den Bau der Umgehungsstraße Langer Peter und der angrenzenden Wohnviertel. Aus seiner kritischen Einstellung den Nationalsozialisten gegenüber soll Rohde keinen Hehl gemacht haben. Als amtierender Bürgermeister geriet er schnell in den Fokus der neuen Machthaber.
Am Ostersamstag des Jahres 1933, dem 15. April, versammelten sich Angehörige der Steinburger SA vor Rohdes Dienstwohnung in der Ritterstraße 31. Sie schmissen Steine in die Fenster, drangen in die Wohnung ein und nahmen Adolf Rohde unter dem Vorwand, ihn vor dem „Volkszorn“ bewahren zu wollen, in „Schutzhaft“. „8.30 aufgestanden. 8.35 Sturm auf unsere Wohnung. 8.55 fortgebracht nach Oldendorf, dort im Hause des Gemeindevorstehers gewesen bis 5 Uhr. Unter Landjägerbedeckung bis Lübscher Brunnen, dann im Auto nach Kiel gefahren, um 8 Uhr angekommen. Vollständig fertig!“, schilderte Rohde die Vorgänge in seinem Tagebuch. Kurz darauf kam er wieder auf freien Fuß, war allerdings mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Sein Amt übernahm am 18. April kommissarisch NSDAP-Mitglied Hermann Nappe (1875-1943), der 1934 seinerseits von seinem Parteigenossen Herbert Heitmann (1901-1945, reg. 1934-1940) abgelöst wurde. Am 28. September 1933 musste Rohde zwangsweise in den Ruhestand treten.
Adolf Rohde war nicht der einzige Itzehoer, der am 15. April 1933 mit dem Terror der SA konfrontiert war. Gleichzeitig mit ihm wurde eine Reihe weiterer Personen verhaftet: Wilhelm Schubert, Oberstadtsekretär; Paul Schmidt, Rektor der Berufsschule; Thomas Hagenah, Rektor der Klosterhofschule; Bruno Voltmer, Lehrer an der Kaiser-Karl-Schule; August Diebenkorn und Christian Lohse, beide Mitglieder des Stadtrats; sowie Fritz Hilbert, von Beruf Landwirt. Die Verhafteten standen politisch der SPD nahe: Lohse und Diebenkorn waren langjährige Parteimitglieder, Schubert Partei- und Fraktionsvorsitzender der Itzehoer Sozialdemokraten. Voltmer war wie Rohde Mitglied der DVP und deren Kreisvorsitzender. Die SA-Männer brachten Rohde nach der Verhaftung mit dem Auto nach Oldendorf, die übrigen Verhafteten wurden durch die belebte Innenstadt zur Gaststätte Freudenthal in der Jahnstraße getrieben. Fritz Hilbert musste ein Schild mit einer diffamierenden Aufschrift, die nicht überliefert ist, um den Hals tragen, vorneweg ging ein Trommler.
Aus Sicht der Nationalsozialisten waren die Schikanen gegen Adolf Rohde und die Abgeordneten der SPD ein voller Erfolg: Mit dem kommissarischen Bürgermeister Hermann Nappe und seinen Nachfolgern Herbert Heitmann und Kurt Petersen (1904-1971, reg. 1940-1945) bekleideten fortan treue NSDAP-Anhänger das höchste Amt der Stadt.
Nach Kriegsende 1945 kehrte Adolf Rohde in die Lokalpolitik zurück. Vom 25. Mai 1945 bis zum 27. Januar 1946 war er als hauptamtlicher Landrat des Kreises Steinburg tätig, vom 28. Januar 1946 bis 30. April 1947 als Oberkreisdirektor. Seit dem 22. November 1948 übte er bis zum 13. Mai 1950 ehrenamtlich erneut das Amt des Landrats aus. Anlässlich seines 65. Geburtstages am 2. August 1945 wurde eine Straße in Itzehoe nach ihm benannt. Adolf Rohde starb am 12. Juni 1955 in Essen.
Text: V.V.
verwendete Literatur
Johann Rathmann, Itzehoe 1933. Wie die Nazis die Stadt eroberten, Itzehoe 1983.
Ute Engel-Baseler, Itzehoe zur Zeit des Nationalsozialismus, in: Itzehoe. Geschichte einer Stadt in Schleswig-Holstein, Bd. 2: Von 1814 bis zur Gegenwart, Itzehoe 1991, S. 301-326.
Rudolf Irmisch, Geschichte der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1960, S. 398-423.