Preußische Herrschaft
Schleswig-Holstein wurde 1867 durch Preußen annektiert, nachdem dieses sich in zwei Kriegen gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866) durchgesetzt hatte. Die neue preußische Provinz wurde aus den ehemaligen Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauenburg gebildet und ging in einer neuen Verwaltungsstruktur auf. Das betraf auch das alte Amt Steinburg, welches gemeinsam mit Teilen der Ämter Bordesholm und Rendsburg in den Kreis Steinburg umgewandelt wurde. Diese territoriale Organisation sollte über 100 Jahre Bestand haben und wurde erst 1969 mit dem Zweiten Gebietsneuordnungsgesetz geändert. An der Spitze des Kreises standen nunmehr preußische Landräte, welche eine monarchisch-autoritär geprägte Verwaltung führten. Das zumeist von Karrierejuristen ausgefüllte Amt hatte von 1868 bis 1889 Ernst Christian von Harbou als erster Steinburger Landrat inne.
Wirtschaftlich profitierten insbesondere die Städte an der Unterelbe wie Glückstadt und Itzehoe von der zunehmenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert, womit sich dort andererseits auch die Bevölkerungsstruktur zu wandeln begann. Die wachsende Zahl an Arbeiter*innen ließ gerade hier das Wählerpotenzial der Sozialdemokratischen Partei (SPD) steigen. Dennoch blieben im Kreis Steinburg vor allem konservative und liberale Partien während der Kaiserzeit vorherrschend - vor allem bedingt durch die ländliche Prägung, aber auch durch die strikte Anti-Sozialistengesetzgebung zwischen 1878 und 1890.
Während des Ersten Weltkrieges sollte sich die agrarische Struktur des Kreises als Vorteil erweisen, war er doch so weniger stark von Versorgungsengpässen betroffen. Dennoch wurde auch hier ein Großteil der männlichen Bevölkerung zum Kriegsdienst herangezogen. Das Fehlen von Bauern und Landarbeitern, deren Arbeitskraft kaum ersetzt werden konnte und von denen nicht wenige dem Weltkrieg zum Opfer fallen sollten, wirkte sich bald negativ aus . Bedingt durch die sich zum Kriegsende hin dramatisch verschärfende Unzufriedenheit fiel auch in Steinburg die Novemberrevolution von 1918 auf fruchtbaren Boden. Zwar wurde die Monarchie abgeschafft, die obrigkeitsstaatlich orientierte Verwaltung blieb jedoch unbehelligt im Amt, um angesichts der problematischen Versorgungslage ein vollständiges Abdriften ins Chaos zu vermeiden.
Ein Erfolg der Revolution war die erste parlamentarische Demokratie Deutschlands. An der Wahl zur Nationalversammlung 1919 konnten erstmals auch Frauen teilnehmen. Die Mehrheit der Steinburger*innen stimmte für die republikanisch gesinnten Mehrheitssozialdemokraten (MSPD). Durch politische Unruhen, die 1919 insbesondere in den nahegelegenen Großstädten Hamburg und Altona tobten, sowie wirtschaftliche Schwierigkeiten wie die Hyperinflation des Jahres 1923 sank aber bald die Zustimmung zu republiktragenden Parteien. Die mit einer zunehmenden Verschuldung einhergehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten seit der Mitte der 1920er Jahre führte insbesondere unter Steinburger Landwirten zu einem antidemokratischen Radikalisierungsprozess.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 wirkte wie ein Brandbeschleuniger und führte zur Verelendung breiter Bevölkerungsschichten. Diese Lage konnte die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Partei (NSDAP) für sich nutzen. Innerhalb weniger Jahre gelang es ihr, durch eine Mischung aus Versprechungen und Terror politische Gegner zu marginalisieren und zur bestimmenden Macht im Land aufzusteigen. Die autoritäre Politik der Reichsregierung spielte den Nationalsozialisten dabei in die Hände. Mit dem „Preußenschlag“ wurde die parlamentarisch legitimierte Staatsregierung im Juli 1932 durch Reichskanzler Franz von Papen ersetzt und der Demokratie so ein schwerer Schlag versetzt. Der Steinburger Landrat Konrad Göppert wurde durch den Deutschnationalen Wilhelm Ide ersetzt. Ein Jahr später übernahmen die Nationalsozialisten selbst die Macht in ganz Deutschland. Sie formten den Staat in ihrem Sinne um, auch wenn viele Elemente äußerlich erhalten blieben. Steinburg blieb Teil einer Provinz Preußen, das mit der deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg 1945 de facto aufhörte zu bestehen. Formal existierte der preußische Staat noch bis zu seiner endgültigen Auflösung durch das alliierte Kontrollratsgesetz vom 25. Februar 1947. Schon im August 1946 hatte die britische Militärregierung die Auflösung der preußischen Provinzen und u.a. die Neubildung Schleswig-Holsteins als selbständiges Land verfügt. Dieses wählte am 20. April 1947 erstmals einen Landtag.
Text: K.K.
Verwendete Literatur
Julian Freche, Der Kreis Steinburg, in: 150 Jahre Kreise in Schleswig-Holstein, hg. von Oliver Auge, Kiel 2017, S. 344–362.
Wippermann, Wolfgang: Preußen. Kleine Geschichte eines großen Mythos, Freiburg im Breisgau u.a. 2011.
Reimer Möller, Eine Küstenregion im politisch-sozialen Umbruch (1860–1933). Die Folgen der Industrialisierung im Landkreis Steinburg (Elbe), Hamburg 2007.