Weimarer Republik
Mit der Novemberrevolution des Jahres 1918, die das Deutsche Reich in eine Republik umformte, änderte sich die politische Landschaft zunächst nur vordergründig. Zwar hatten auch im Kreis Steinburg zunächst Arbeiter- und Soldatenräte die Macht übernommen. Die alten Eliten aus Politik und Verwaltung, etwa der Landrat, die Bürgermeister und das Gros der Beamten konnten aber weiterarbeiten. Führende Revolutionäre fürchteten ein politisches Chaos durch allzu drastische Umwälzungen, die die ohnehin dramatische Versorgungslage noch weiter verschärft hätten.
Anfangs traf dieses Arrangement auf beidseitige Akzeptanz. In Glückstadt etwa erklärte die bürgerliche Sammlungsbewegung am 20. November 1918, sie stelle sich „auf den Boden der bestehenden Umwälzung“ und erteilte gegenrevolutionären Tendenzen eine Absage.
Trotz eines unruhigen Jahreswechsels 1918/19 mit den sogenannten Spartakusaufständen in vielen deutschen Städten beteiligte sich die überwiegende Mehrheit der Wahlberechtigten an den Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung, erstmals in der deutschen Geschichte auch Frauen.
Doch die oftmals blutig ausgetragenen politischen Auseinandersetzungen diskreditierten die junge deutsche Republik rasch. Im Kreis Steinburg wurde das Lockstedter Lager zu einem Ausgangspunkt antirepublikanischer Freikorps, die trotz des Putschversuches 1920 ausgerechnet von der Reichsregierung zur Niederschlagung von Arbeiteraufständen herangezogen wurden.
Zwar stabilisierte sich Deutschland zur Mitte der 1920er Jahre politisch wieder, doch wurde dies durch die wirtschaftlichen Krisen schon zum Ende des Jahrzehnts wieder Makulatur. In ländlichen Regionen wie dem Kreis Steinburg gerieten viele Landwirte durch Überschuldung in existenzielle Nöte, konnten Kredite oder Steuerforderungen nicht mehr begleichen und waren in der Folge oft Betriebspfändungen ausgesetzt. Besonders hier schlossen sich viele von ihnen als Landvolkbewegung zusammen und forderten den Staat heraus. Im März 1929 etwa verbrannten in Itzehoe 1.200 Bauern öffentlichkeitswirksam ihre Steuerbescheide. Auch vor Gewalt schreckten viele von ihnen nicht zurück und lieferten sich gewaltsame Straßenschlachten mit der Polizei oder verübten Bombenanschläge.
Unter Claus Heim aus Dithmarschen, einem der Wortführer, driftete die Bewegung dann zunehmend in einen völkischen Nationalismus ab. Viele Aktivist*innen fanden zumindest zeitweise bei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) eine politische Heimat, die im Kreis Steinburg ab 1928 (10 % , im Jahr 1933 sogar 55,1 % der Stimmen bei den Reichstagswahlen) stark zunehmende Wahlerfolge feierte, bis sie im Jahr 1933 die politische Macht in Deutschland übernehmen konnte.
Text: K.K.
Verwendete Literatur
Freche, Julian: Der Kreis Steinburg, in: 150 Jahre Kreise in Schleswig-Holstein, hrsg. von Oliver Auge, Kiel 2017, S. 344– 362.
Kollex, Knut-Hinrik: „Ruhe und Ordnung“. Provinzielle Revolution in Schleswig-Holstein, in: Die Stunde der Matrosen. Kiel und die deutsche Revolution 1918, hrsg. von Sonja Kinzler und Doris Tillmann, Darmstadt 2018, S. 133– 139.
Möller, Reimer: Eine Küstenregion im politisch-sozialen Umbruch (1860– 1933). Die Folgen der Industrialisierung im Landkreis Steinburg (Elbe), Hamburg 2007.