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Sozioökonomische Entwicklungsprozesse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Nach der Währungsreform des Jahres 1948 und dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre waren wieder wirtschaftliche Investitionen in größerem Umfange möglich. In Schleswig-Holstein sowie im Kreisgebiet wurde damit ein regionaler Strukturwandel in Gang gesetzt, der das Leben im Kreis und das Gesicht Steinburgs nachhaltig veränderte und einen unumkehrbaren Wandel grundlegender sozialer und ökonomischer Strukturen mit sich brachte.

So verschwanden auch im Kreis Steinburg einzelne traditionelle Berufe, wie der Bürstenmacher, der Handweber oder der Roßschlachter völlig. Durch industrielle Anfertigung von Massenwaren ging auch die Anzahl an Schneidern und Schustern, traditionelle städtische Berufe seit dem Mittelalter, drastisch zurück. Von 108 aktiven Schneidern im Jahr 1936 existierten 1973 nur noch 21 und schließlich 1987 nur noch sieben in Itzehoe. Auch die Zahl der städtischen Schuster sank von ursprünglich 41 (1936) auf vier (1987).

Bereits seit dem Kriegsende war im Besonderen die Landwirtschaft von den Strukturveränderungen betroffen: Traditionelle Bauernhöfe, die im Kreis Steinburg über Generationen hinweg ihre äußere Form nicht verändert hatten, erfuhren durch die moderne technische Entwicklung einen drastischen Wandel. Kleinere bäuerliche Familienbetriebe fielen der Modernisierung, Rationalisierung und Erweiterung zum Opfer und verschwanden von der Bildfläche. Während 1949 noch 4.518 landwirtschaftliche Betriebe im Kreisgebiet bewirtschaftet wurden, schrumpfte diese Zahl auf lediglich 2.200 im Jahr 1989. Die verbliebenen Betriebe waren dabei gezwungen, sich zu vergrößern, zu spezialisieren und zu mechanisieren. Gleichzeitig schrumpfte die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei wesentlich: von ursprünglich 7.100 im Jahr 1949 auf gerade einmal 4.000 bis zum Jahr 1989.

Wesentliche Maßnahmen zur Begleitung dieses Wandlungspro­zesses besonders in der Landwirtschaft waren u.a. das von der schles­wig-holsteinischen Landesregierung ins Leben gerufene Programm Nord. Es initiierte von 1953 bis 1988 strukturpolitische Maßnah­men auf regionaler Ebene und wurde aus Mitteln des Landes, des Bundes sowie der Europäischen Gemeinschaft finan­ziert. Gleichzeitig wurden auf dem Land Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, die durch Tausch und Zusammenlegung zersplitterte Flurgrundstücke zu größeren Wirtschaftseinheiten zusammenfassten. Die Maßnahmen des Programms Nord führten unter anderem dazu, dass bereits in den 1990er Jahren mehr als zwei Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe im Kreis Steinburg (1.446 Betriebe) Haupterwerbsbetriebe waren. Diese bewirtschafteten knapp 91 Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche des Kreises.

Text: K.B.

Umkreis

Verwendete Literatur:

Paul Jacobson und Halvor Jochimsen, Wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein, in: Wirtschaftliche Lag der Landwirtschaft 567 (2003), S. 26–47.

Uwe Danker, Landwirtschaft und Schwerindustrie Schleswig-Holsteins seit 1960: Schlaglichter auf sektoralen Strukturwandel, in: Demokratische Geschichte 18 (2007), S. 166–216.

Jaroir Balcar, Landwirtschaft und ländliche Lebenswelten in Westdeutschland nach 1945. Bilanz, Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Strukturwandel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Beiträge zur Zeit- und Regionalgeschichte/2), hg. von Robert Bohn, Uew Dabker und Sebastian Lehmann, Neumünster/Hamburg 2014, S. 66–85.