"Unserer Sünden halber über uns verhänget"
Die Pestepidemie in Itzehoe 1712
Von 1708 bis 1712 hatte die „Große Pest“ Nord-, Ost- und Mitteleuropa fest im Griff. Auch Itzehoe blieb von dieser Epidemie nicht verschont: Von den ca. 3500 Einwohnern, die Itzehoe im Jahr 1712 hatte, starben rund 300, also 9% der damaligen Bevölkerung.
Die Pest verbreitete sich im Zuge des Großen Nordischen Krieges (1700-1721). Der Große Nordische Krieg (Dänemark vs. Schweden) war nur einer der Nordischen Kriege, die zwischen 1554 und 1721 (teilweise parallel zum Dreißigjährigen Krieg) das Machtgefüge im Ostseeraum veränderten. Auch der Kreis Steinburg war davon betroffen, sowohl durch Belagerungen als auch als Durchzugsgebiet.
Die durchziehenden Soldaten schleppten die Asiatische Beulenpest ein. Die Krankheit war zuvor im Gefolge der Heere von Polen und Ostpreußen aus nach Dänemark gewandert und schlug sich auch anderenorts im Kreis Steinburg nieder, z.B. in Glückstadt: Bereits 1711 brachten dänische Truppen, die von Kopenhagen nach Glückstadt eingeschifft worden waren, die „Contagion“ (Ansteckung), wie die Pest damals genannt wurde, in den südlichen Teil Holsteins.
Am 6. August 1712 traten in der Ritterstraße und am Coriansberg die ersten Pestfälle auf. Daraufhin wurden beide Straßen abgesperrt. Für den Schiffsverkehr wurden strenge Regeln erlassen: So mussten 50-100 Schritte Abstand zwischen an Bord und an Land befindlichen Personen eingehalten werden. Nahrungsmittel wurden am Ufer hinterlegt und durften erst an Bord genommen werden, wenn 100 Schritte Abstand zwischen Schiffer und Boten lagen. Angelieferte Waren durften erst abgeholt werden, wenn das Schiff sich entfernt hatte
Am 19. August berichtete der Chirurg Johann Heyn erstmals über Symptome bei den Erkrankten: Sie litten unter Kopfschmerzen und Fieber, an den Beinen, unter den Armen und hinter den Ohren bildeten sich Geschwülste (die sogenannten Pestbeulen oder Bubonen), die Haut färbte sich weiß und bildete Blasen, als diese aufbrachen, war die Haut darunter schwarz.
Am selben Tag erließ die Stadtregierung einen Plan zur Seuchenbekämpfung. Hierin wurde zu allererst festgelegt, dass „ein jeder sich fleißig zum Gottes-Dienst halten und durch tägliche Privat-Andacht im Hause, nechst der wahren Buße, Gott den Vater aller Barmherzigkeit und gnädiger Hülfe und abwendung aller wohl verdienten Straffe und Landtplage von gantzen Hertzen anrufen“ sollte – die Pest galt zur damaligen Zeit als Strafe Gottes für die Sünden der Menschen. Ferner wurde vor „Vollerey und sonst anderen excessen“ gewarnt und zur Ruhe ermahnt. Es war verboten, die Stadt zu verlassen und Personen von außerhalb der Stadtgrenzen zu beherbergen. Als Vorbeugung wurden Kräutermischungen und die sorgfältige Reinigung der „Häuser, Neben-Gebäude, Gaßen, Winkel und Ohrter“, also der „stillen Örtchen“, empfohlen. Zudem war es, anders als bisher, untersagt, Fäkalien von Mensch und Tier auf die Straße zu schütten und in der Stadt Schweine zu halten. Durch Ausräuchern sollte eine Desinfektion der Häuser und Straßen erreicht werden. Dies rührt daher, dass man annahm, die Pest würde durch „Miasmen“, also schädliche, schlechte Luft, übertragen – der wahre Verursacher, das Bakterium Yersinia pestis und die Übertragung durch Rattenflöhe waren bis 1894 unbekannt. Vom 15. bis 17. September 1712 war Itzehoe vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten: Kavallerie-Kompanien wachten darüber, dass niemand die Stadt betreten oder verlassen konnte – eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Versorgung.
All diese Maßnahmen waren nicht besonders wirkungsvoll. Im Dezember 1712 ebbte die Seuche jedoch von selbst ab, da die Flöhe, also die Überträger, sich bei Kälte nicht vermehren. Die wirtschaftlichen Folgen von Krieg und Pest sollten Itzehoe jedoch noch für einige Jahre zu schaffen machen.
Text: V.V.
verwendete Literatur
Christian Boldt, Seuchengeschichte Glückstadts, in: Vorträge der Detlefsen-Gesellschaft 20 (2019), S. 97-133.
Reimer Hansen, Geschichte der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1910, S. 95.
Rudolf Irmisch, Geschichte der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1960, S. 189 f.