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Das "Germanengrab" in Itzehoe als nationalsozialistische Ahnenkultstätte

Als „Germanengrab“, „Galgenberg“, seit 2020 auch als „GeSCHICHTENberg“, wird ein Hügelgrab der Nordischen Bronzezeit (14.-13. Jahrhundert vor Christus) bezeichnet, das in den 1930er Jahren zur nationalsozialistischen Ahnenkultstätte umgebaut wurde. Es befindet sich in Itzehoe zwischen Langer Peter, dem Juliengardeweg, der Krohnstraße und der Timm-Kröger-Straße.

Der bronzezeitliche Grabhügel spielte bereits vor dem Beginn der archäologischen Untersuchungen und des Umbaus eine Rolle im Itzehoer Stadtleben: Von 1256 bis 1861 diente er dem Adeligen Kloster als Richtstätte. Das Hügelgrab war vor der Ausgrabung 5,50 Meter hoch und maß 30 Meter im Durchmesser. 1937 regte der neu gegründete Heimatverband des Kreises Steinburg Ausgrabungen an dieser Stelle an. Hierbei kamen zwölf unberührte Gräber – zehn Körper- und zwei Brandbestattungen – zum Vorschein. Im unteren Teil des Hügels befanden sich die Gräber eines Mannes, einer Frau und eines Kindes, die übrigen Grabstätten wurden in vier Schichten darüber aufgehäuft. Die Grabbeigaben bestanden aus Werkzeugen, Waffen, Schmuck, Kleidungsstücken und Tongefäßen, in denen sich Lebensmittel befunden hatten.

Zum Zeitpunkt der Ausgrabungen bemühten sich NS-Funktionäre bereits seit Längerem um die Instrumentalisierung der Vorgeschichte zugunsten von Ideologie und Politik. Auch die archäologischen Befunde aus Itzehoe wurden im Sinne des völkisch-antisemitischen NS-Germanenkults als Hinterlassenschaften der mythischen germanischen Vorfahren und als Beweise für die Existenz einer untergegangenen germanischen Hochkultur gedeutet.

Kurz nachdem die Ausgrabungen abgeschlossen waren, begann der Umbau zur „Germanengrab“ getauften Ahnenkultstätte. Die drei verbliebenen Gräber wurden mit einer 9,20 Meter hohen Kalksandsteinkuppel mit einem Durchmesser von 17,40 Metern überdacht, den Eingang bildet ein zwölf Meter langes, 5,60 Meter hohes Tonnengewölbe. Das umliegende Gelände war als Aufmarschplatz konzipiert. Über mit Flaggenmasten eingerahmte Freitreppen sollten die Besucher*innen die überkuppelten Gräber, das geplante Hitlerjugend-Heim und die „Heimathalle“ erreichen. Ebenfalls Teil der Planungen war es, den Innenraum mit der Darstellung einer germanischen Trauerfeier des Elmshorner Malers Wilhelm Petersen (1900-1987) zu versehen. Die Bauten und die künstlerische Gestaltung verblieben im Entwurfsstadium, zur Ausführung kam es aufgrund von Mittelknappheit und der veränderten Prioritäten bei Kriegsbeginn nie. Der Kuppelbau war ab dem 23. August 1938 für die Öffentlichkeit zugänglich. Auf dem Aufmarschplatz fanden Treffen der Hitlerjugend und Vereidigungen der SA und SS statt. 

1950/51 erfolgte die Umwidmung zur Gedenkstätte. Seit 2007 steht die gesamte Anlage unter Denkmalschutz. Das Kuppelgewölbe mit den Gräbern und einer Ausstellung kann zu regelmäßigen Terminen oder nach Voranmeldung besichtigt werden. Hinweistafeln im Außenbereich verweisen auf die archäologische Bedeutung und die nationalsozialistische Vergangenheit des Ortes. 

Text: V.V.

Umkreis

Verwendete Literatur

Ulf Ickerodt, Zwischen unbequemem Denkmal und inszeniertem Erinnerungsort, in: Steinburger Jahrbuch 2015, Itzehoe 2014, S. 21-64.

Ingo Lafrenz, Inszenierte Geschichte. Das sogenannte Germanengrab in Itzehoe, in: Informationen zur schleswig-holsteinischen Zeitgeschichte 52/53 (2010/2011), S. 16-47.

Alexandra Völter und Jörg Benz, Der Galgenberg in Itzehoe, das „Germanengrab“, Itzehoe 2001.