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Zichorienfabrik Ottens & Wulff

Friedrich II. von Preußen hatte im Jahr 1766 die private Einfuhr sowie den Handel mit Übersee-Kaffee verboten, um die Außenhandelsbilanz Preußens zu verbessern. Als Folge des strikten Erlasses entwickelten sich Alternativen zum Bohnenkaffee, die sich beispielsweise aus der Nutzung der Gemeinen Wegwarte, auch Zichorie (von lateinisch cichorea) genannt, ergaben. Die Zichorie ist eine Pflanze, deren Wurzeln nach dem Trocknen und Rösten als Ersatzkaffee (Muckefuck) genutzt werden können. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts etablierten sich immer mehr Zichorienfabriken im ganzen Reich, auch in Schleswig-Holstein wurde der Anbau vom dänischen König gefördert. Im Jahr 1811 gründeten Matthias Ottens und Ludolf Wulff die Firma Ottens & Wulff am Oelixdorfer Weg (heute Oelixdorfer Straße), einst die größte Kaffee-Ersatzfabrik Schleswig-Holsteins. Da sich der Ersatzkaffee immer größerer Beliebtheit innerhalb der Bevölkerung erfreute, expandierte das Unternehmen schnell: Waren es im Jahr 1820 noch zehn Arbeiter im Betrieb und eine Produktion von 30 Tonnen Zichorienkaffee, so entwickelte sich die Zahl nur 15 Jahre später auf 105 Beschäftigte und 300 Tonnen des Ersatzproduktes. Nochmals deutlich steigerte sich die Zahl der Mitarbeiter im Jahr 1840 auf 600 Personen, da mittlerweile auch alle anderen Gewerke, wie beispielsweise Kistenmacher, Drucker, Schmiede und Verpacker, im Betrieb tätig waren. Um weitere geeignete Fabrikräume zu errichten, zog der Betrieb in die Sandkuhle, in der auch Matthias Ottens sein Wohnhaus errichtete (Sandkuhle 3), welches heute noch bewohnt wird. Nachdem sich Ludolf Wulff 1817 entschlossen hatte, aus dem Unternehmen auszuscheiden, trug die Firma den Namen Matthias Ottens. Weitere hundert Jahre später, im Jahr 1911, ging die Zichorienfabrik an den Kaufmann Christian Conrad von Holstein über. Trotz des akuten Rohstoffmangels nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Produktion des Ersatzkaffees aufrechterhalten werden. Für das mittlerweile als Holstein-Kaffee bekannte Ersatzprodukt entwarf der Künstler Wenzel Hablik moderne Werbeplakate im Stil der 1920er Jahre. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu einem verheerenden Großfeuer in der Sandkuhle, das die ganze Fabrik vernichtete. Unter der Britischen Militärregierung kam es zum Wiederaufbau des Fabrikgeländes und so konnte die Produktion bis in die Mitte der 1960er Jahre fortgeführt werden. Mit der Schließung des Unternehmens wurde das große Gelände an die Bauherren des heutigen Holstein-Centers verkauft, die dort im Jahr 1972 das Einkaufscenter und zwei Hochhäuser errichteten.

Text: S.P.

Umkreis

Verwendete Literatur

Ortwin Pelc, Auf dem Weg zur Industriestadt, in: Itzehoe. Geschichte einer Stadt in Schleswig-Holstein, Bd. 2, Von 1814 bis zur Gegenwart, hg. von der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1991 S. 69–107.

Ernst Scheffel, Aus dem Fotoalbum eines Familienbetriebes um 1930 – Holsten-Kaffee von C.C. von Holstein, 1837-1964, in: Steinburger Jahrbuch (1990), S. 82–92.