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Zuckerraffinerie Charles de Vos

Der aus dem belgischen Gent stammende Kaufmann Charles Pierre de Vos (geb. 1810/ gest. 1889) gründete 1840 in Itzehoe in der Straße Hinterm Wall (heute Wallstraße) eine Zuckerfabrik, die sich zur größten in ganz Schleswig-Holstein entwickelte. Die Entscheidung de Vos', sein Gewerbe nicht in Hamburg, sondern in der kleinen Stadt Itzehoe anzusiedeln, mochte an der günstigen Infrastruktur und Verkehrslage Itzehoes direkt an der Stör gelegen haben. Das schnell wachsende Unternehmen, das mit fünf Mitarbeitern gestartet war, kaufte bereits 1853 weitere Gebäude und Grundstücke hinzu, um Produktions-, Speicher- und Verladeräume zu schaffen. Insgesamt viermal vernichteten Großfeuer weite Teile der Fabrik. Doch nach jeder Brandkatastrophe baute Charles de Vos seinen Betrieb wieder auf und nahm die Schicksalsschläge zum Anlass, sein Unternehmen zu erweitern und zu modernisieren.

Neben der Alsen'schen Portland-Cement-Fabrik war die Zuckerraffinerie Chs. de Vos & Co bis 1880 der zweitgrößte Arbeitgeber im Kreis Steinburg. Charles Pierre de Vos und seine Frau Eveline stifteten große Beträge ihres Vermögens sozialen Zwecken. Ebenfalls setzte sich der Firmengründer für das Wohl seiner Arbeiter ein, zum Beispiel durch die Einrichtung einer Pensions- und Krankenkasse. Die städtischen Körperschaften ernannten de Vos zum Dank für seine weitreichende soziale und karitative Tätigkeit 1878 zum Ehrenbürger der Stadt, im Jahr 1888 wurde er geadelt und zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. Nach dem Tod von Charles Pierre de Vos 1889 trat sein einziger Sohn Charles Rudolph von de Vos (1854-1936) seine Nachfolge an. Mit ihm hielten weitere wichtige Modernisierungen Einzug, so sorgte beispielsweise der Bau einer Drehbrücke für einen direkten und frühzeitigen Bahnanschluss der Zuckerraffinerie. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und einem Ausfuhrverbot für Zucker begann für die Raffinerie der Niedergang. Trotz einer Umgestaltung der Besitzverhältnisse – Charles Rudolph hatte seine Firma in eine Aktiengesellschaft überführt – erfolgte die endgültige Stilllegung im Jahr 1943. Zu Beginn der 1970er Jahre fielen die letzten Gebäude der ehemaligen Zuckerfabrik städtebaulichen Modernisierungsprojekten zum Opfer. In Itzehoe gibt es bis heute die 1965 angelegte De-Vos-Straße, die im äußersten Südwesten des Stadtteils Wellenkamp liegt.

Text: S.P.

Drei Zuckerhüte der Firma Charles de Vos & Co Itzehoe

Ende 19. Jahrhundert bis ca. 1910

Inventar-Nr.: 2004-25/1-3

Die „süßen Relikte“ sind Zeugnisse einer ehemaligen Itzehoer Firma von Weltrang: Als der belgisch-stämmige Hamburger Kaufmann Charles Pierre de Vos 1840 auf einem kleinen Grundstück in der Störschleife mit anfangs fünf Arbeitern seine Zuckerraffinierung begann, konnte er nicht ahnen, dass sich seine Raffinerie samt angeschlossener Zuckerfabriken bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten Unternehmen der Branche in Deutschland entwickeln würde: 1894 beschäftigte sein Sohn und Nachfolger Charles Rudolph von de Vos bereits hunderte Arbeiter*innen. Das ausgedehnte Werksgelände am Rande der Itzehoer Innenstadt verfügte als größter Industriebetrieb der Stadt längst über einen eigenen Gleisanschluss, über Fabrik-, Speicher-, Verlade- und Verwaltungsgebäude und über eine eigene Anlage zur Energieerzeugung. Mit rund einer Million Doppelzentner Rohzucker jährlich exportierte die riesige Raffinerie ihre Zuckerprodukte ins Reich wie auch nach England, Japan und Argentinien sowie nach Marokko, Persien und Arabien.

Nach dem Ersten Weltkrieg setzte der Niedergang ein: 1919 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; 1942/43 übernahm die Pommersche Provinzial-Zuckersiederei Stettin die AG und legte die Zuckerherstellung 1943 still. Bis ca. 1970 nutzen noch andere Betriebe die Fabrikbauten, dann wurde die Störschleife 1971/72 zugeschüttet und sämtliche Lager- und Fabrikgebäude für eine Wohnbebauung und das „Neue Theater“ abgebrochen.

Die drei ca. 8 cm hohen Zuckerhüte sind eingewickelt in farbig bedruckte Papiere, je mit der Firmenaufschrift – zwei davon auch in Arabisch. Als Beschwerer von Weihnachtsbaumzweigen haben sich diese Zuckerhüte bis heute erhalten.

Die typische Form des Zuckerhuts entsteht durch die Herstellung in kegelförmigen Tiegeln und war bis in das 19. Jahrhundert die übliche Darreichungsform von Zucker. Da dieser Zucker sehr hart war, musste er vor seiner Verwendung mittels Zuckerbrecher, -schaber oder -hammer zunächst zerkleinert werden.

Umkreis

Verwendete Literatur

Karin Gröwer, Die Zuckerraffinerie Chs. de Vos & Co. Itzehoe, Itzehoe 2004.

Günter Fust, Die Zuckerfabrik, in: Steinburger Jahrbuch 42 (1998), S. 232–236.

Britt Nicolai-Kolb, Itzehoe von 1867 bis 1918, in: Itzehoe. Geschichte einer Stadt in Schleswig-Holstein, Bd. 2: Von 1814 bis zur Gegenwart, hg. von der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1991, S. 113–239. 

Rudolf Irmisch, Geschichte der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1960.