Häuser von Hodorf
Bereits lange bevor erste Deiche zum Schutz vor Hochwasser errichtet wurden, fingen Menschen an, in den Marschgebieten an der Westküste Holsteins, der Elbe und ihren Nebenflüssen zu siedeln. Die frühesten dieser Besiedlungsspuren lassen sich in den Flussmarschen südlich der Elbe, etwa im Alten Land oder im Land Hadeln, finden. Nördlich der Elbe wurden erste Siedlungen in der Römischen Kaiserzeit ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert angelegt. Einer dieser frühen Siedlungsplätze befand sich in der Nähe von Hodorf und konnte in den 1930er Jahren archäologisch untersucht werden. Im Uferbereich eines verlandeten Seitenpriels der Stör wurden die Reste einer langgestreckten Wurt, also einem künstlich angelegten Erdhügel, ausgegraben. Auf der Wurt befand sich ein Wohnstallhaus von etwa 20 Metern Länge und fünf Metern Breite. Das dreischiffige Haus war in Pfostenbauweise errichtet worden, Fußboden und Wände bestanden aus Flechtwerk, das zum Teil mit Lehm verstrichen war. Im Haus befanden sich Feuerstellen und mehrere Herde. Die Wurt war bis in das vierte Jahrhundert bewohnt und wurde während der langen Nutzungszeit wiederholt erhöht, um an den sich verändernden Meeresspiegel angepasst zu werden. Auch das Gebäude wurde regelmäßig umgebaut und teilweise erneuert, sodass sich verschiedene Nutzungsphasen unterscheiden lassen.
Das archäologische Fundmaterial verweist auf eine ländliche Siedlung, in der Viehhaltung, vor allem von Rindern, Schweinen und Schafen, eine bedeutende Rolle gespielt hat. Zeit- und regionaltypische Keramik wurde im Haushalt produziert. Nadeln, Spinnwirtel und Webgewichte deuten auf Textilverarbeitung hin. Aus Knochen geschnitzte Kämme, Kleidungsbestandteile, Perlen aus Glas und Bernstein sowie Würfel aus Ton repräsentieren die persönliche Ausstattung der Menschen auf dem Gehöft und geben einen kleinen Einblick in ihren Alltag. Hervorzuheben ist zudem der Fund einer kleinen menschlichen Tonfigur, deren Funktion jedoch bis heute unbekannt ist. Funde von römischen Münzen, Terra sigillata, einer typischen römischen Keramikware, Mühlsteinen aus rheinischer Basaltlava und verschiedener Metallgegenstände, die ebenfalls aus dem römischen Reich stammen, zeigen jedoch auch die Einbindung in ein weitreichendes Kontaktnetzwerk.
Text: H.A.
Verwendete Literatur
Volker Arnold, Ulrich Drenkhahn, Dirk Meier (Hg.), Frühe Siedler an der Küste. Küstenarchäologie in Dithmarschen und Steinburg, Heide 1991.
Werner Haarnagel, Die frühgeschichtlichen Siedlungen in der schleswig-holsteinischen Alb- und Störmarsch, insbesondere die Siedlung Hodorf, in: Offa 2 (1937), S. 31–78.
Dirk Meier, Die Unterelbe. Vom Urstromtal bis zur Elbvertiefung, Heide 2014.