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Peter Matthiessen

Ein Steinburger Beispiel für personelle Kontinuitäten in der Nachkriegszeit

Peter Matthiessen (1907-1995) war schon zu Zeiten der Weimarer Republik in rechtsvölkisch orientierten Vereinigungen wie dem „Jungdeutschen Orden“ aktiv. Neben seiner juristischen Ausbildung, die er 1927 begann und 1937 abschloss, war er seit 1932 Mitglied der NSDAP, seit 1933 der SA.

Ab 26. Oktober 1938 gehörte er der Bezirksregierung von Troppau (tschechisch Opava) an. Im Oktober 1939 wurde er zur Wehrmacht einberufen und nahm am Frankreichfeldzug teil. Zwei Jahre später, am 25. Oktober 1941, trat Matthiessen mit der Einstufung „unabkömmlich“ aus der Wehrmacht aus. Gauleiter Hinrich Lohse war seit Juli 1941 Verwaltungschef des „Reichskommissariats Ostlandund hatte Fachkräfte für die neu gegründete Kolonie angefordert. Diese Stellen besetzte er bevorzugt mit Schleswig-Holsteinern. Peter Matthiessen war einer der von Lohse Ausgewählten.

Im November 1941 traf Matthiessen in Riga ein. Er war in der Hauptverwaltung des Reichskommissariats als Referent von Theodor Fründt (1897-1984), dem Stellvertreter Lohses und Leiter der Hauptabteilung II „Politik“, tätig. In den Aufgabenbereich dieser Abteilung fiel unter anderem die Koordination der gegen die jüdische Bevölkerung gerichteten Maßnahmen. Diese bestanden in Erfassung, Enteignung, Internierung und Einteilung zur Zwangsarbeit. Nicht Arbeitsfähige wurden ermordet.

Am 15. Juli 1942 wechselte Matthiessen nach Libau (lett. Liepāja) in West-Lettland, um dort auf Geheiß Lohses das Amt des Stadtbeauftragten auszuüben. Sein Vorgesetzter war der Libauer Gebietskommissar Walter Alnor (1892-1972), ebenfalls ein Schleswig-Holsteiner aus Lohses engstem Kreis. Matthiessens Aufgaben und Tätigkeiten sind nicht mehr nachzuvollziehen, wahrscheinlich glichen sie denen eines Bürgermeisters. Er behielt diese Stellung bis zum 16. Januar 1943. Ab dem 26. Januar 1944 diente Matthiessen erneut bei der Wehrmacht, zunächst als Ausbilder für Grenadiere in Hamburg, später in zwei Propaganda-Kompanien an der Ostfront. Zum Kriegsende 1945 geriet Peter Matthiessen in russische Gefangenschaft. Erst 1954 kehrte er nach neunjähriger Zwangsarbeit zurück. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das „Gesetz zur Beendigung der Entnazifizierung“ in Kraft, das neue Entnazifizierungsverfahren verhinderte. 

Von 1955 bis 1972 amtierte Matthiessen als Landrat des Kreises Steinburg, 1967 und 1975 saß er als Abgeordneter der CDU im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Zudem war er in zahlreichen Vereinen und Verbänden aktiv, so auch im Heimatverband des Kreises Steinburg. Der Umzug des bis dahin in der Talstraße ansässigen Heimatmuseums in den Prinzeßhof im Jahr 1964 geht auf Matthiessens Initiative zurück. Peter Matthiessen starb am 20. Mai 1995 in Itzehoe. Seiner Mitverantwortung für die Geschehnisse im Reichskommissariat Ostland musste er sich niemals stellen.

Text: V.V.

verwendete Literatur

Uwe Danker/Sebastian Lehmann-Himmel, Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive, Kiel 2016.

Lukas Grawe, Die Landräte der Kreise Rendsburg und Eckernförde während des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, in: Demokratische Geschichte 27 (2017), S. 43-86.

Lukas Grawe, Peter Matthiessen - Strammer Nationalsozialist und bundesrepublikanischer Landrat, in: Michael Legband (Hg.), Das Mahnmal - 75 Jahre gegen das Vergessen. Vom Umgang mit dem Nationalsozialismus in Itzehoe, Kiel 2022, S. 222-233.

Wulf Pingel, Von Kiel nach Riga. Schleswig-Holsteiner in der deutschen Zivilverwaltung des Reichskommissariats Ostland, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 122 (1997), S. 439-466.